Anschlussheilbehandlung / Krankenkassen

Anschlussheilbehandlung: Verfrachtet und verladen

Krankenkassen investieren heutzutage sehr viel Geld, um als moderne Unternehmen wahrgenommen werden. Ganzseitige Anzeigen in Deutschlands auflagenstärkster Zeitung am Sonntag sind mittlerweile genauso normal wie Bandenwerbung bei Bundesligaspielen oder City-Light-Werbung in Großstädten. Kommunikationsprofis verpassen Krankenkassen ein modernes, ja mitunter frisches Image – Behörde war gestern! Wirklich? Von Krankenhäusern und Ärzten fordern Kassen Effizienz und Patientenorientierung. Wie aber sind sie selbst organisiert? Entspricht die interne betriebliche Kassenorganisation dem modernen Image? An dieser Stelle möchte ich ein pseudonymisiertes Protokoll veröffentlichen. Ein Sachverhalt, der sich tatsächlich so zugetragen hat. Die Patientin nennen wir Marion. „Bei mir stand eine Kniegelenksoperation an. Nicht sehr schön und vor allen Dingen nicht zu vermeiden. Nach dem 23. Oktober 2018 sollte es mit der Anschlussheilbehandlung (AHB) in der Reha weiter gehen. Ich hatte mich vorher schlau gemacht und mir bereits im September einen Platz in einer von mir bevorzugten Reha-Klinik für den 5. November 2018 gesichert. Doch weit gefehlt, die Aufnahme in meine Wunschklinik wurde abgelehnt – zu groß sei die Entfernung zum Wohnort, anstelle dessen meldete sich eine andere Reha-Klinik, die mir einen Platz anbot. Ich bot an, die Fahrtkosten selbst zu übernehmen und erhielt einen Anruf, dass die von mir angestrebte Anschlussheilbehandlung eine Zuzahlung von 2.671 Euro erforderte, der ich zähneknirschend zustimmte, doch das entsprechende Formular zur Unterschrift kam und kam nicht. Stattdessen meldete sich ein Mitarbeiter der Kasse: Der Kollege, der uns einen Tag zuvor über die Höhe der Zuzahlung informiert habe, hätte einen Fehler gemacht. Die Zuzahlung betrage nur noch 412 Euro. Eine für mich erfreuliche Nachricht, aber auch wenig vertrauenserweckend. Das angekündigte Formular zur anteiligen privaten Kostenübernahme ließ weiter auf sich warten. Stattdessen kam ein Tag später wieder ein Anruf der Kasse: Der Vordruck zur Kostenübernahme fehle noch. Das entsprechende Formular sei soeben per Fax an mich gesandt worden. Die Zeit drängte! Das kapierte nun auch die Kasse. Sie riet dazu, dass nur die unterschriebene Erklärung per Fax zurückgesandt werden solle. Dies geschah unverzüglich. Die frohe Botschaft: Nun sei alles in Ordnung! Uff, geschafft, dachte ich! Am selben Tag, zwei Stunden später, teilte uns ein Mitarbeiter der Kasse dann telefonisch mit: Der Termin für die Aufnahme zur AHB sei vom 5. November 2018 auf den 9. November 2018 verschoben worden. Der Grund: Es fehle die Erklärung der Kostenübernahme. Ich konnten es nicht fassen! Mein Mann rief bei der Klinikaufnahme meiner Wunsch-Rehaklinik an: Wir erfuhren, dass mein Aufnahmetermin zum 5. November 2018 von dem Mitarbeiter der Kasse am 31. Oktober 2018 vormittags storniert worden sei. Das Zimmer sei inzwischen neu belegt worden und meine Aufnahme zum 5. November sei nicht mehr zu ermöglichen. Es gebe kein einziges freies Zimmer mehr. In dem gefühlt hundertsten Telefonat mit dem Kassenmitarbeiter, legte mein Mann ihm dar, dass sein eigenmächtiges Handeln ohne jegliche Rücksprache mit den Betroffenen sehr weitreichende finanzielle Folgen haben könne. Sämtliche berufliche Termine, Hotelbuchungen und Bahnfahrten seien auf den Aufnahmetermin abgestimmt worden. Man nennt das auch Schadenersatz. Nach endlos langem Hin und Her wurde mein Aufnahmetermin zum 5. November 2018 aus der Rehaklinik dann doch wieder bestätigt. Meine Knie-Reha konnte beginnen – meine Nerven hätten auch eine gebraucht. Mein Mann ist Mediziner und kennt sich aus. Wie mag es aber wohl Patienten gehen, die nicht über solch eine Systemkenntnis verfügen? Keine Kenntnisse im Sozialrecht oder des Bürgerlichen Gesetzbuches haben? Menschen ohne Angehörige, die sich für sie einsetzen. Mein „Fall“ zeigt einmal mehr, dass hinter dem glatt polierten Image der Kassen, immer noch die Bürokratie des 20. Jahrhunderts steckt. Patientenorientierung sieht anders aus.“ Welche Erfahrungen machen Sie mit der Kassenbürokratie? Werden Sie als mündiger Patient und Versicherter wahrgenommen und behandelt? Ich bin gespannt auf Ihre Geschichten. Ihr, H.-P. Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.