Datenschutz / Digitalisierung / Gesundheitsdaten

Digitale Datenspende | Fortschrittlich oder naiv – Das Spenden von Gesundheitsdaten?

Während wir in Deutschland immer noch auf die elektronische Patientenakte – also einer gebündelten, digitalen Lösung all unserer Gesundheitsdaten – warten, macht Tino Sorge, Berichterstatter für Digitalisierung und Gesundheitswirtschaft der CDU-Bundestagsfraktion mit einem bemerkenswerten Vorstoß auf sich aufmerksam. Er bringt die digitale Datenspende im Gesundheitswesen auf die bundespolitische Tagesordnung. Immer mehr Menschen seien dazu bereit, persönliche Daten in den Dienst der medizinischen Forschung zu stellen. Und weiter: Der Gesetzgeber müsse hierfür Grundlagen schaffen. Das könne beispielsweise ein Datenspendeausweis oder ein digitales Testament sein, das bei den Krankenkassen hinterlegt wird. In der Tat können Millionen von Datensätze beispielsweise in der Krebsforschung viel Gutes bewirken, oder auch bei der Erforschung seltener Krankheiten, wo die medizinischen Daten naturgemäß nur aus kleinen Patientenkohorten resultieren und die Forscher so nur schwer wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Aussagen treffen können. Auch der gesellschaftliche Wandel in der Gesundheitsversorgung lässt sich mit einer Kombination aus Patienten- und Sozialdaten wesentlich genauer erfassen – neue passgenaue sozialmedizinische Versorgungsformen könnten das Ergebnis sein.

Der Datenhunger ist also enorm: Die medizinische und pharmazeutische Forschung will Daten, Medizintechnikhersteller wollen Daten, Krankenhäuser und nicht zuletzt Krankenkassen oder auch Endoprothesenregister. Dann ist ja alles geritzt! Her mit den Daten und wir modellieren uns eine bessere Gesundheitsversorgung. Ganz so einfach ist es dann doch nicht: Noch immer ist nicht klar, wo die Patientendaten der elektronischen Gesundheitskarte möglichst sicher gespeichert werden. Der Gesetzgeber schreibt hier höchste Anforderungen vor. Vollkommen zu Recht!

Es macht eben schon einen Unterschied ob ein Amazon-Account gehackt wird und im Netz öffentlich wird, dass jüngst einen Teppichläufer aus Sisal erworben wurde, oder ob im Netz zu lesen ist, dass eine depressive Episode, Inkontinenz oder eine Abtreibung behandelt wurde. Auch die Pseudonymisierung oder Anonymisierung von Gesundheitsdaten wird keinen Rundum-Sorglos- Datenschutz bieten. Der Chaos Computer Club hat sich erst Ende vergangenen Jahres mit der Sicherheit von Patientenakten und Apps beschäftigt. Gerade die unter großem Marketinggetöse auf dem Markt eingeführte Vivy-App einiger privaten Krankenversicherungen mit einen Kundenstamm von 13,5 Millionen Versicherten wies erhebliche Sicherheitslücken auf. Die Liste der Sicherheitsmängel lässt sich auf eine ganze Reihe konkurrierender Produkte ausweiten. Spricht das gegen die Nutzung von Gesundheits-Apps, elektronischen Patientenakten und anderen klugen digitalen Helferlein? Sicherlich nein! Nur: Die Daten im Netz sind nicht sicher und werden es vermutlich auch nie sein. Wer sensible digitale Patientendaten spendet, sollte dies wissen und sich dessen auch bewusst sein. Deshalb brauchen wir zuerst eine breite Aufklärung über die Möglichkeiten und die Grenzen von Datenschutz im Netz und die Bedeutung der Sensibilität von Gesundheitsdaten. Wer dann spenden will, soll es tun, in der Kenntnis möglicher Folgen und mit dem guten Gefühl einen wichtigen Beitrag zur Erforschung von Krankheiten oder der Weiterentwicklung Gesundheitssystems getan zu haben. Wie ist Ihre Meinung zur digitalen Gesundheitsdatenspende? Welche Daten würden Sie unter Umständen preisgeben, welche gar nicht? Und: Fühlen Sie sich ausreichend informiert über den Datenschutz von Gesundheitsdaten im Netz? Wie immer, ich freue mich auf Ihre Meinung. Ihr, H.-P. Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.