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Generalistische Pflegeausbildung

„Schwester, können Sie mir bitte mal das Wasser reichen?“ – Die etwas antiquierte Anrede in Form von Schwester im Krankenhaus oder auch im Pflegeheim könnte bald endgültig der Vergangenheit angehören. Künftig gibt es nur noch die „Pflegefachfrau“ beziehungsweise der „Pflegefachmann“.

Grund dafür: 2020 startet die „generalistische“ Pflegeausbildung in Deutschland. Dann werden die drei Ausbildungslehrgänge zum Gesundheits- und Krankenpfleger sowie zum Kinderkranken- und Altenpfleger zusammengelegt: Zumindest die ersten beiden Ausbildungsjahre wird zusammen gelernt. Im dritten Ausbildungsjahr können sich die Auszubildenden entscheiden, ob sie sich auf einen der drei Ausbildungsberufe spezialisieren; oder ob sie in der „generalistischen“ Ausbildung verbleiben wollen.

Der Reform der Ausbildungsberufe in der Pflege ist ein Baustein in der Strategie der Bundesregierung, die Ausbildungsberufe attraktiver zu machen. In der Tat hat der Gesetzgeber 2017 die Chance ergriffen und beispielsweise eine ungerechte Regelung wie das Schulgeld für Auszubildende in der Altenpflege abgeschafft.

Doch was bedeutet diese Reform praktisch? Was bedeutet sie für die Ausbildungsstätten und das Ausbildungsperso-nal?

Die „generalistische“ Ausbildung in der Pflege stellt die Ausbilder vor immensen organisa-torischen Herausforderungen – die am Ende die Qualität der Ausbildung gar beeinträchtigen können.

Ein Beispiel: Eine Berufsschule bietet die Ausbildung zur Altenpflege an. Bis zu 40 Schüler befinden sich in einem Ausbildungsjahrgang. In Zukunft durchlaufen alle diese Schüler die Ausbildung auch im Krankenhaus. Das heißt, 40 Auszubildende müssen auf den Stationen verteilt und angeleitet werden.

Hinzu kommt: Fachliche Ausbildungsschwerpunkte wie beispielsweise die Pädiatrie gibt es nur in größeren Krankenhäusern. Das heißt: Die Schülergruppen werden noch größer, weil sie sich nur auf wenige Einrichtungen verteilen können. Wie bei diesen Gruppenzahlen noch eine fachlich qualifizierte Anleitung erfolgen soll, erschließt sich mir nicht.

Selbst wenn man der „generalistischen“ Ausbildung etwas abgewinnt. Sie kommt zur Unzeit. Ab dem nächsten Jahr greifen die Personaluntergrenzen in den pflegesensitiven Bereichen: Intensivmedizin, Unfallchirurgie, Geriatrie und Kardiologie. Die Krankenhäuser müssen dann stations- und schichtbezogen nachweisen, wie viele Pflegekräfte im Einsatz waren. Die Personaluntergrenzen stellen bereits heute für viele Krankenhäuser einen echten Stresstest dar, weil es nicht genügend Fachkräfte auf dem Markt gibt. Schwer vorstellbar, wie dann ab 2020 noch ganze Schülergruppen durch die Stationen geschleust und Lehrstoff vermittelt werden soll. Nicht weniger Vorstellungskraft braucht es, wenn es darum geht, die Auszubildenden in ambulanten mobilen Pflegediensten auszubilden.

Ein echtes Dilemma! Wir benötigen junge, gut ausgebildete und vor allen Dingen motivierte Kräfte. Das werden wir aber nicht erreichen, wenn wir die Auszubildenden wie große Reisegruppen durch die Ausbildungsstationen lotsen. Was ist zu tun? Die einzelnen Ausbildungsstationen müssen noch einmal durchdacht werden. Denkbar wäre es auch, stärker auf Care Skills Labs zu setzen. Das sind Simulationszentren in denen die Schüler zum Teil virtuell oder an Puppen ausgebildet werden. Ob die praktische Ausbildung in künstlichen praxisfernen Labs nicht auf Kosten der Qualifikation und der Empathie geht, ist allerdings noch nicht zu beurteilen, weil breit angelegte Erfahrungswerte fehlen.

Fakt ist, so wie die „generalistische“ Ausbildung derzeit angelegt ist, ist sie eine Überforderung des Systems. Und das ist das letzte, was wir derzeit brauchen. Die Ausbildungs-zahlen werden es zeigen, ob die „Pflegefachfrau“ oder der „Pflegefachmann“ als attraktiver Beruf von den Nachwuchskräften wahrgenommen werden.

Wie ist Ihre Meinung dazu? Ob als Auszubildende(r) oder Ausbilder, ich bin gespannt auf Ihre Meinung.

 

Ihr,

 

Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.