Krankenkassen / Spahn

Kassen müssen Beitragszahlern Geld zurückgeben

Die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenkassen ist – in Folge – ausgezeichnet. Seit mehr als drei Jahren verbuchen die Kassen satte Überschüsse. Allein für dieses Jahr werden rund 2 Milliarden Euro Überschuss vorausgesagt. Die Konjunktur ist stabil, die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung und ein Ende des Beschäftigungsbooms derzeit nicht in Sicht. Das ist schön für die Krankenkassen, weniger schön für die Beitragszahler. Denn die Kassen sitzen bequem auf ihrem weichen Finanzpolster.

So bequem, dass sie von Gesundheitsminister Jens Spahn jetzt gezwungen werden mussten, Beitragsgelder an ihre Mitglieder zurückzuzahlen. Das ist – vorsichtig ausgedrückt – bemerkenswert für ein System, das gerne seinen solidarischen Anspruch wie eine Monstranz vor sich her trägt. Satte 21 Milliarden Euro liegen bei den Kassen an Betriebsmittel und Rücklagen auf der hohen Kante.

Privat wie beruflich: Jeder weiß einen Notgroschen muss es geben. Damit das System beispielsweise auch bei unerwarteten konjunkturellen Schwankungen stabil bleibt, gibt es eine gesetzliche vorgeschriebene Mindestreserve. Das ist richtig und sinnvoll. Doch die aktuell angewachsene Finanzreserve übersteigt die Mindestreserve um das Vierfache. Und die Kassen denken nicht daran, ihre Beitragszahler zu entlasten.

Jetzt müssen sie 2019 den Zusatzbeitrag von 1 auf 0,9 Prozent senken und Kassen, deren Finanzreserven die Monatsausgabe übersteigen, dürfen, so steht es im GKV-Versichertenentlastungsgesetzt (GKV-VEG), gar keinen individuellen Zusatzbeitrag mehr erheben. Mit diesen Maßnahmen macht sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zum Sachwalter der Beitragszahler – die Selbstverwaltung zu der die gesetzlichen Kassen zählen, steht angezählt da.

In meinem Blogbeitrag „Das Märchen vom Kassenwettbewerb“ habe ich die Funktionsweise der Zusatzbeiträge beschrieben. Das Geld, was derzeit bei den Kassen auf der hohen Kante liegt, ist besonders auch durch die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zusammengekommen. Denn sie haben in den letzten Jahren den Zusatzbeitrag alleine finanziert.
Angesichts dieser Verweigerungshaltung der Kassen stellt sich die Frage, warum es eigentlich in der Sozialversicherung nicht den Ruf nach Entlastungen gibt? Während wir im Steuersystem unsere Steuerlast mehr oder weniger genau im Auge haben, werden die Sozialversicherungsbeiträge als „gottgegeben“ hingenommen. Bei unseren Steuern fordern wir Entlastung für Familien, Geringverdiener oder den Mittelstand. Fehlanzeige bei den Abgaben in der Sozialversicherung . Noch immer bewegt sich das 370-Milliarden-schwere Gesundheitswesen unterhalb des öffentlichen Radars seiner Versicherten und Beitragszahler. Das hat auch mit einer im System angelegten Intransparenz zu tun. Dabei sollte es uns interessieren, wie die Kassen mit unseren Beiträgen umgehen und welche systemischen Überlegungen ihren Entscheidungen zugrunde liegen.

Zwei Beispiele im Folgenden bei denen man sich fragen kann: Geht es um eine qualitativ hochwertige Versorgung oder geht es darum, Einspareffekte auf dem Rücken von Versicherten zu erzielen?

  • Beispiel 1: Der GKV-Spitzenverband (das Gremium, dass für die Kassen die Verträge mit den Arzneimittelherstellern schließt) nimmt es hin, dass es zu Versorgungsengpässen bei Arzneimitteln kommt, weil der Verband Rabattverträge mit nur einem Hersteller abschließt. Kommt es bei dem Hersteller zu Lieferschwierigkeiten, sind die Patienten die Leidtragenden. Das passiert im Übrigen öfters als man denkt.
  • Beispiel 2: Ausschreibungen: Menschen, die auf Hilfsmittel bei der Inkontinenz- oder Stomaversorgung angewiesen sind, bekommen die Hersteller, deren Produkte sich verwenden müssen, von ihren Kassen zugewiesen. Die Ausschreibungen sorgen dafür, dass der Anbieter mit dem preisgünstigsten Angebot den Zuschlag bekommt. Seit Jahren gibt es seitens der Patienten Beschwerden über die Versorgungsqualität.

Was ist Ihre Meinung? Fühlen Sie sich ausreichend über die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung informiert? Und was sollte mit Überschüssen geschehen – auszahlen oder eine höhere Versorgungsqualität anstreben?

Ihr,

Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.