GKV / Homöopathie

Magische Globuli oder „nur“ Zuwendung?

Autsch! Das tat weh. Als Landesmutter will frau sich um möglichst viele und unterschiedliche Belange kümmern. So kam es, dass vergangene Woche die Schirmherrschaft von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, für die Jahrestagung des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärztinnen und Ärzte in Stralsund für erheblichen Ärger sorgte.

In ihrem Grußwort warb Schwesig für Ihr Bundesland an der Küste. Der Kongress trägt den Titel „Homöopathie und das Meer. Vom Ursprung des Lebens.“ Für Schwesig ging das alles zusammen: Mecklenburg-Vorpommern, die Ostsee und die Homöopathen. Ein ideales Standortmarketing mit dem Potenzial, viele Wähler und Wählerinnen zu erreichen. Dass es bei den Kongressinhalte zudem schwerpunktmäßig um Schwangerschaft, Geburt und Kinderheilkunde geht, hat das Engagement der ehemaligen Bundesfamilienministerin sicherlich befördert.

Dennoch gab’s Kritik. Denn der Wind dreht sich allmählich. Prominenteste Kritikerin: die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU), die via Twitter mitteilte, dass sie Homöopathie für „Mumpitz“ hält. Das sehen freilich nicht alle so: Naturheilkundliche Verfahren – oder auch die sogenannte Komplementärmedizin – in Deutschland erfreuen sich seit Jahren stabiler Beliebtheitswerte. Mehr weiß man aber nicht. Wie viele Patienten tatsächlich homöopathische Leistungen in Anspruch nehmen, darüber gibt es keine gesicherten Zahlen. Immerhin bieten rund rund 7.000 Ärzte – das sind rund 4,5 Prozent aller niedergelassenen Ärzte – in Deutschland naturheilkundliche Verfahren an mit Rückendeckung der Ärztekammern.

Dennoch werden die Stimmen lauter, die fordern, dass Globuli & Co nicht Bestandteil des Kataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung sein sollten. Klartext redet auch Professor Josef Hecken, Vorsitzender des mächtigsten Gremiums im Gesundheitsweisen, dem Gemeinsamen Bundesausschuss. Hecken fordert vehement, dass wissenschaftlich nicht-gesicherte Methoden und Verfahren von den Kassen nicht bezahlt werden sollen. In der Tat verfolgt die Gesundheitspolitik wie auch die Selbstverwaltung seit Jahren das Paradigma der evidenzbasierten Medizin: Bezahlt wird nur, was nachgewiesenermaßen wirksam ist.

Das nun gerade um die Homöopathie ein schützendes Zäunchen errichtet, ist nur dem herrschenden Zeitgeist zuzuschreiben: Anti-Chemie, Anti-Schulmedizin hin zu sanften Verfahren und mehr menschlicher Zuwendung.

Um letztere geht es im Kern. Wissenschaftler verweisen, wenn es um die Nicht-Wirksamkeit von Globuli geht gern auf die Placeboeffekte. Kann es sein, dass der Patient Besserung verspürt, weil der Arzt sich besonders eingehend mit ihm beschäftigt hat? Den Patienten ernst nimmt? Und vor allen Dingen zuhört? Die Zuckerkügelchen mit den tausendfach verdünnten Wirkstoffen sind dabei nur Beiwerk. Ein bisschen Chi-Chi eben.

Wenn es aber um das Gespräch geht, um Zeit und Zuwendung, dann wird es höchste Zeit die sprechende Medizin aufzuwerten. Ärzte, die sich Zeit für ihre Patienten nehmen, sind in unserem Gesundheitssystem immer die Dummen. Stellt sich aber auch die Frage, ob wir noch viele Ärzte haben, die das können und wollen.

Bezahlt wird der Einsatz von Technik, das ist aber nur ein Teil der ärztlichen Heilkunst! Die heilende Wirkung eines vertrauensvollen Gesprächs von Empathie und Zuwendung und damit auch der Vermittlung von Hoffnung und Glaube wird dagegen nicht ausreichend honoriert und gefördert. Die eine oder andere Tabletteneinnahme könnte so vielleicht für den Patienten erspart werden. Oder auch das sogenannte Ärztehopping könnte auf diese Weise eingedämmt werden, wenn wir uns mehr Zeit füreinander nehmen würden. Oder ist dies vielleicht am Ende gar nicht gewünscht, weil mit sprechender Medizin weniger Umsatz gemacht wird?

Sind Sie Anhänger der Homöopathie? Oder sagen auch Sie, Homöopathie ist was für Sektierer und sollte nicht von der Solidargemeinschaft der Versicherten bezahlt werden? Wie wichtig ist Ihnen ein ausführliches Gespräch mit Ihrem Arzt? Schreiben Sie mit mir! Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen.

Ihr,

H.-P. Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.