Konzertierte Aktion Pflege / Pflege

Mehr Knete für die Pflege – jetzt!

Liebe Lautblog-Leserinnen und Leser! Was lässt Sie morgens aufstehen? Der Job ist so toll! Die Kollegen klasse, prima Arbeitsklima, verständnisvoller Chef?! Alles sehr wichtig – keine Frage. Doch machen wir uns nichts vor: Wir gehen auch arbeiten, um Geld zu verdienen, denn Geld ist der gesellschaftlich anerkannte Lohn für Engagement und Leistung. Und wenn das Gehalt stimmt, gehen wir auch gerne arbeiten. Die Messlatte von Erfolg und Wertschätzung drückt sich noch weitgehend in Geld aus!

Die nicht-akademischen sozialen Berufe haben bislang in die Röhre geschaut. Menschenferne Arbeit und Leistung wird in unserer Gesellschaft meist besser vergütet, die körperlich, seelische und mentale Belastung der sozialen Berufe dagegen wird unter Lohnnebenkosten abgestempelt.
Das alles soll sich nun ändern! Der Beruf gehört zu den Anspruchsvollsten überhaupt. Es wurde allerhöchste Zeit, denn die pflegenden Berufe – gleich ob Hilfskräfte oder vollausgebildete Pflegefachleute – werden auf ihrem Lohnzettel klar benachteiligt. Kein Wunder also, dass der Nachwuchs fehlt und die geburtenstarken Jahrgänge, wenn sie der professionellen Pflege bedürfen, sich schon auf den Platz unter der Brücke vorbereiten dürfen.

Und obwohl seit Jahren Bonsai-Löhne in der Pflegebranche gezahlt werden, wird von den Pflegekräften in weiten Teilen eine Spitzen-Pflege angeboten. Ob nun eine dahin siechende Koalition tatsächlich die Menschen im Blick hat, wird sich weisen. Der Ansatz endlich attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen ist richtig, kommt zirka zehn Jahre zu spät – hoffentlich reicht es noch.

Professionelle Pflege sichert die Würde des Menschen, gibt Zuwendung, versorgt ganzheitlich. Die vergangene Diskussion zu Lohnnebenkosten war unsäglich und darf sich nicht wiederholen.

In den vergangenen 30 Jahren hat Politik die Rahmenbedingungen für die Unternehmen so verschlechtert, dass ein Überleben nur mit weniger und preiswertem Personal möglich war. Dies hat zu den sehr unterschiedlichen Lohnniveaus in den Bundesländern und bei den verschiedenen Trägern (privat, Kirchen, öffentliche Hand) geführt. Nur rund 20 Prozent der Gehälter in der Pflege werden nach Tarif bezahlt! Zum Vergleich: Im Bergbau und der Energie- und Wasserversorgung liegt die Tarifbindung – laut Institut der deutschen Wirtschaft – bei mehr als 70 Prozent!!

Nun haben in der Konzertierte Aktion Pflege gleich drei Minister – Gesundheitsminister Jens Spahn, Arbeitsminister Hubertus Heil und Familienministerin Franziska Giffey – das Defizit erkannt und wollen den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Und das Thema Geld spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Deswegen fordert die Konzertierte Aktion Pflege einen allgemeinen flächendeckenden Tarifvertrag in der Pflegebranche. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:  Die Politik macht die Arbeit der Gewerkschaften. Das hat es in Deutschland so noch nicht gegeben und zeigt die Verzweiflung.

Offensichtlich will man jetzt die Notbremse ziehen und über eine Anhebung der Löhne das Desaster in der Pflege noch abwenden. Schon in wenigen Jahren werden mehr alte Menschen Pflege benötigen, aber Nachwuchs bleibt vorhersehbar Mangelware. Hunderttausend nicht besetzte Stellen, werden nicht zum „Produktionsausfall von Autoreifen“ führen, sie führen zu Hundertausenden verwahrlosten Menschen, die keine oder nur unzureichende Pflege und Unterstützung in Not erhalten.

Noch heute stehen die Anreize Im Gesundheitswesen auf Überforderung, Kostendruck, Arbeitsplatzabbau. Die „Konzertierte Aktion“ macht Hoffnung auf Besserung. Bisher sind es nur Ankündigungen und wir werden sehen, ob die Kostenträger wirklich bereit sind bessere Löhne zu zahlen, um damit mehr Menschen in diesem anspruchsvollen, erfüllenden und gesellschaftlich unverzichtbaren Beruf zu begeistern. Mehr Geld für Pflege wird unausweichlich zu einem Anstieg der Beiträge für die Pflegeversicherung und die Krankenversicherung oder zusätzlichen Steuermitteln führen.

Was auf alle Fälle aber kommen muss, sind wettbewerbsfähige Löhne und deren Finanzierung durch die Kostenträger! Es kann nicht sein, dass Pflegekräfte – je nachdem wo sie arbeiten – weniger als ein Schaffner bei der Deutschen Bahn mit einem Monatsbruttoverdienst von rund 2.400 Euro verdienen.

Nichts gegen Fahrscheinkontrolleure, die sicherlich auch eine Verantwortung im Umgang mit Fahrgästen und für den Ablauf des Zugverkehrs tragen. Doch die tagtägliche Arbeit von mehr als 2,3 Millionen Pflege- und Hilfskräften mit hilfe- und pflegebedürftigen Menschen, die Gabe von Medikamenten, die Einhaltung von Hygienestandards, aufwändige Dokumentationen, anstrengender körperlicher Einsatz, psychische Belastungen durch schwierige, unleidliche Patienten und, ja auch, Toilettengänge mit den Pflegebedürftigen müssen uns einen angemessenen Lohn wert sein, der unsere Wertschätzung für diese Berufsgruppe ausdrückt.

Denn wer Pflegekräfte schlecht bezahlt, ihre hohe Empathie ausnutzt, agiert nicht nachhaltig: Pflege ist eine Zukunftsbranche. Wir sollten sie hegen und pflegen – auch monetär.

Was ist ihr Eindruck? Sollten Pflegekräfte besser und vor allen Dingen deutschlandweit einheitlich besser werden? Ich bin gespannt auf Ihre Meinung! Schreiben Sie mir.

Ihr,

H.-P. Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.