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SARS-Covid-19: Stresstest für die Gesundheitssysteme

Liebe Laut-Blog-Leserinnen und Leser,
ich schreibe diesen Blog seit fast anderthalb Jahren! Mit dem Laut-Blog bin ich gestartet, um mich mit Ihnen über Gesundheitspolitik und dieses Gesundheitssystem auszutauschen. Und um aus meiner Perspektive als Branchenkenner in diesem interessengetriebenen System, in dem die Patientenperspektive allzu oft aus dem Blick gerät, unabhängig zu informieren und aufzuklären.

Daran hat sich im Grundsatz nichts geändert! Was sich fundamental geändert hat, ist der Blick auf unsere Gesundheitssysteme weltweit. Aus einer Epidemie in China ist eine Pandemie, also eine weltweite Epidemie, geworden. Mehr als 170 Staaten sind betroffen und es werden immer mehr. Das SARS-Covid-19-Virus bringt die Staaten auf diesem Globus, ihre Volkswirtschaften und die Gesundheitssysteme an den Rand ihrer Belastungsfähigkeit – und darüber hinaus. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron spricht von einem Krieg, den wir global gegen dieses Virus führen.

Welch ein dramatisches Sprachbild – und es ist angebracht. Auch wenn die Zahlen in China – angeblich – rückläufig sind, ist die Krise alles andere als ausgestanden. Die Zahl der Neuinfektionen in den USA ist mit 104.837 Infizierten (Stand 28.03.2020) weltweit an die Spitze gerückt und insbesondere in dem Epizentrum New York gehen sie buchstäblich durch die Decke. Wer sich dazu laufend aktuell informieren will, dem empfehle ich die Website der Johns-Hopkins University. https://coronavirus.jhu.edu/map.html

Die Beschäftigung mit dem SARS-Covid-19-Virus lenkt aber auch den Blick auf die Ausstattung der Gesundheitssysteme weltweit. In New York, der 8,4 Millionen Einwohner großen Metropole, gibt es ungefähr 3.000 Beatmungsgeräte, benötigt würden aktuell 40.000. 100.000 soll nun der Automobilhersteller General Motors auf die Schnelle produzieren. Diese Liste ließe sich für andere Staaten fortsetzen.

Ganz anders bei uns: Kein anderes Land auf der Welt hält so viele intensivmedizinische Bettenkapazitäten vor wie wir. Wird das ausreichen? Auf wie viele Einwohner sollte ein intensivmedizinisches Bett kommen? Hierzu gibt es schlicht keine Berechnungen. Fakt ist, dass wir in Deutschland bei der intensivmedizinischen Versorgung mit rund 28.000 Plätzen im weltweiten Vergleich sehr gut ausgerüstet sind. Ob es für eine Entwicklung reicht, die sich weiter verschärft, wie die unserer Nachbarn Italien und Spanien, kann ebenfalls niemand prognostizieren. Immerhin, und das sollte auch einmal in Zeiten wie diesen herausgestellt werden, nehmen wir momentan noch Patienten aus Italien und Frankreich auf. Hier funktioniert ein solidarisches Europa!

SARS-Covid-19 zwingt uns also alle, über die Ausstattung und Infrastruktur unserer Gesundheitssysteme nachzudenken. Das Virus platzt bei uns in Deutschland mitten in eine Diskussion hinein, wo wir über eine Dezimierung unserer Krankenhauslandschaft nachdenken.

Und diese Debatte wird nicht nur im Hinblick auf kleine Krankenhausstandorte geführt. Sie wird auch geführt in Metropolregionen wie dem Ruhrgebiet oder in der Hochschulmedizin.
Nun ist eine Pandemie ein außergewöhnliches Ereignis – höhere Gewalt. Und kein Gesundheitssystem der Erde wird es sich leisten können, dauerhaft Kapazitäten vorzuhalten, die eine Pandemie erfordert. Bereits jetzt aber wird auch deutlich: Das Diktat der Ökonomie im Gesundheitswesen, das Kaputtsparen und die Centfuchserei rächen sich in Krisenzeiten.

Eine sehr gute Gesundheitsversorgung kostet. Das sollte jedem klar sein. Und eine hochentwickelte Industrienation wie wir, auf dem Weg in die Wissensgesellschaft, sollte verstehen, dass Gesundheit kein Wirtschaftsgut ist, sondern ein Menschenrecht. Ich bin überzeugt davon, dass die Kritiker der Ökonomisierung gestärkt aus dieser Krise herausgehen werden.

Was ist Ihre Meinung? Wären Sie bereit, für niedrigere Gesundheitskosten ein schlankeres Gesundheitssystem in Kauf zu nehmen? Oder gibt es Ihnen Sicherheit, in der Covid-Krise in einem der besten Gesundheitssystemen der Welt aufgehoben zu sein?
Schreiben Sie mir! Ich freue mich auf Ihre Meinung.

Ihr,

H.-P. Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.