Arzneimittel / Arzneimittelaufsicht

Umbau der Arzneimittelaufsicht – jetzt!

Arzneimittelskandale sind längst nicht mehr nur ein nationales Problem. Globalisierte Produktionsbedingungen und Handelswege bergen riesige Gefahren für die Arzneimittelsicherheit. Fakt ist, die deutsche Arzneimittelaufsicht ist den Herausforderungen nicht mehr gewachsen und muss neu aufgestellt werden.

Ein Gespräch wie es kürzlich in einer Berliner Apotheke stattfand.
Kundin: „Können Sie mir versichern, dass das Medikament, das ich bei Ihnen hier bekomme nicht verunreinigt ist?“

Pharmazeutisch-technische Angestellte: „Nein, das können wir Ihnen nicht zusichern. Da müssen Sie sich schon an den Hersteller wenden. Wir wissen das auch nicht.“

Kundin: „Na ja, das ist eine wenig befriedigende Antwort. Wenn ich an den brandenburgischen Lunapharm-Skandal hier denke. Ich meine, es handelt sich ja um Medikamente. Und wenn ich mich an den Hersteller direkt wende und der über kriminelle Energie verfügt… Das wird er mir ja nicht sagen.“

Pharmazeutisch-technische Angestellte: „Ja. Stimmt.“

Das Gespräch hat so stattgefunden. Das Unbehagen der Kundin ist nachvollziehbar. Die Zahl der Arzneimittelskandale, die allein in den letzten Monaten an das Licht der Öffentlichkeit gedrungen sind, ist signifikant. Ein paar Beispiele: Der brandenburgische Pharmahändler Lunapharm soll Krebsmittel, die aus griechischen, womöglich italienischen Kliniken, gestohlen worden sind, in mehrere Bundesländer verkauft haben – noch ist nicht raus, ob dies wissentlich geschah und ob die Medikamente noch wirksam waren. Die Tabletten des Blutdrucksenkers Valsartan wurden zurück gerufen, bei der Herstellung in China ist es zu Verunreinigungen gekommen – womöglich mit einem krebserregenden Stoff. 900.000 Patienten könnten davon betroffen sein, schreibt die Süddeutsche Zeitung. In China meldete die Nationale Medikamentenaufsicht vor kurzem, dass eine Firma minderwertige Tetanus- und Diphterieimpfstoffe auf den Markt gebracht hat.

Wer denkt, das ist China, das ist weit weg, verkennt die globalisierten Produktionsabläufe und Lieferwege in einem internationalisierten Arzneimittelmarkt; der verkennt ein kompliziertes undurchschaubares System an Importen von Arzneimitteln und Re-Importen und der verkennt ein unzulängliches System an Aufsichtsmechanismen – weltweit.

Und schließlich ist da noch die unfassbare Geschichte des Bottroper Apothekers, der aus Habgier über Jahre hinweg Krebsmedikamente streckte. Offenkundig ist unser Arzneimittelsystem so gebaut, das es einer wirksamen Aufsicht nicht bedarf.

Wer mit der Gesundheit von Patienten Geschäfte macht, handelt aus sich heraus ethisch, weil Gesundheit ein ethisches Gut ist. Das ist offenkundig ein Irrweg. Da reicht auch nicht der ewig stereotype Hinweis auf die „Schwarzen Schafe“ einer Branche aus.

Die Mitarbeiter der für Arzneimittelaufsicht zuständigen Behörden und Politiker sollten sich auf das Gedankenexperiment einlassen, wenn einer ihrer Angehörigen auf Zytostatika angewiesen wäre und ein auch nur in Frage stehendes unwirksames Medikament bekäme.
Für mich steht außer Frage: Die Arzneimittelaufsicht muss reformiert und den globalisierten Produktionsbedingungen angepasst werden. Das heißt auch miteinzubeziehen, dass Arzneimittel eine Ware sind, mit der zum Teil auf illegalem Wege Gewinne gemacht werden.

Ihr,

H.-P. Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.