Organspende / Spahn

Warum Jens Spahn mit seinem Basta-Gesetz zur Organspende scheiterte

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags haben in der ersten wichtigen Abstimmung in diesem Jahr, dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die rote Karte gezeigt. Das medizinisch wie ethisch äußerst bedeutsame Thema lässt sich nicht nach dem Motto „Durchregieren“ einfach mal so abräumen.

Zur Debatte stand die sogenannte Widerspruchslösung gegen die erweiterte Entscheidungslösung. Jens Spahn ist der Meinung, dass jeder in Deutschland zum Organspender werden sollte, der Zeit seines Lebens beziehungsweise seine Angehörigen dem nicht widersprochen haben. Diese Regelung ist in vielen europäischen Ländern bereits Praxis – Spahn fand, das müsse auch in Deutschland möglich sein.

Es sind genau diejenigen, die immer das Europa der Vielfalt feiern, die – wenn es gerade passt – auf einheitliche Lösungen pochen.

Spanien, Portugal und auch Kroatien weisen mit die höchsten Spenderzahlen auf – das ist zu begrüßen. Und doch ist der Vergleich mit anderen europäischen Ländern nur begrenzt sinnvoll. Mentalität und Religiosität unserer europäischen Nachbarn unterscheiden sich zum Teil fundamental von unseren gesellschaftlichen Merkmalen.

Beispielsweise ist die Religiosität in den genannten Staaten deutlich stärker ausgeprägt als in Deutschland, wo den großen Glaubensgemeinschaften Jahr für Jahr die Mitglieder weglaufen. Und überhaupt: Wo waren die Kirchen in dieser Debatte?
Was ist der Hirntod und was passiert in diesem Zeitraum mit meiner Seele? Diese Fragen sind überaus komplex und ja, vermutlich nicht zu beantworten. Auch das muss gesagt werden! Kritiker der Widerspruchslösung bemängelten, dass jeder potenzielle Spender so zum „wandelnden Ersatzteillager“. Befürworter der Widerspruchlösung sprechen bei der Organspende von einem einmaligen Akt der Solidarität und des Mitgefühls.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestag haben sich nun für die sanftere Entscheidungslösung entschieden. Jeder Bürger soll im Laufe seines Lebens immer wieder gefragt werden – ob beim Arzt oder der Ausweisbehörde -, wie er zum Thema Organspende steht. Das ist das Gegenteil zu Spahns Basta-Lösung.

Interessant ist auch, dass 61 Prozent der Deutschen im zdf-Politbarometer die Widerspruchslösung von Spahn gutheißen. Hier dürfte der Klimawandel-Effekt greifen: Kollektiv die Dringlichkeit des Themas erkennen und individuell anders handeln.

Auch wenn es schwer zu ertragen ist, dass über 9.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan warten. Weisungen des Staates sind mit des Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen nicht vereinbar. Das Recht auf Nicht-wissen, dass es für genetische Tests und Untersuchungen gibt, ist spiegelbildlich auch ein Recht auf Nicht-Information bei der Organspende.

Gesellschaftlich kann das nur heißen, dass wir weiterhin ein Klima der Aufklärung über die Organspende schaffen müssen. Hier sind längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Krankenhäuser könnten beispielsweise Patienteninformationsabende zum Thema Organspende veranstalten – auch in die Schulen und Universitäten gehört das Thema und in die Betriebe.

Was halten Sie von der Bundestagsentscheidung, die Bürger nicht automatisch als Organspender auszuweisen? Haben Sie einen Organspendeausweis? Was waren Ihre Gründe dafür? Oder entscheiden Sie sich bewusst dagegen? Lesen Sie auch gern unseren Artikel „kein Automatismus bei der Organspende“ und schreiben Sie mir zu diesem wichtigen Thema!

Ihr,
H.-P. Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.