Patientenorientierung / UPD

Patientenorientierung: Verkauft und schlecht beraten

„Verrat am Patienten“ überschrieb der SPIEGEL vom 22. September 2018 eine Geschichte über die Unabhängige Patientenberatung (UPD). Was war geschehen? Seit 2016 ist Sanvartis ein privater Gesundheitsdienstleister, der u.a. Callcenter für verschiedene Krankenkassen betreibt, auch Betreiber der UPD. Durch den Verkauf von Sanvartis an einem Personal- und Vertriebsdienstleister für die Pharmaindustrie sieht nun der SPIEGEL die Unabhängigkeit der UPD in Gefahr.

Dazu muss man wissen: Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) wurde mit dem Ziel gegründet, den Patienten gesundheitliche Informationen, Beratung und Aufklärung zu gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen zur Verfügung zu stellen. Finanziert wird die UPD aus Mitteln der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung – mehr als 5 Millionen Euro stehen ihr jährlich zur Verfügung. Wie der Name es sagt, soll die UPD Patienten und Versicherte unabhängig beraten. Eine wichtige Aufgabe in einem System, dass allein Experten schon einiges abverlangt, Aufbau, Entscheidungswege und das Sozialgesetzbuch annähernd zu verstehen.

Ob die Unabhängigkeit der UPD nun tatsächlich zur Disposition steht, das bleibt abzuwarten. Schließlich sind auch Krankenversicherungen – ob gesetzlich oder privat – nicht neutral.

Die Arbeit der UPD scheint jedoch auf alle Fälle aber noch verbesserungswürdig: „Bei Testanfragen habe es in der Hälfte der Fälle auch sachlich falsche (Detail-)Anworten gegeben“, heißt es im SPIEGEL-Artikel. 155.000 Menschen suchten 2017 den Rat der UPD – angestrebt wird eine Zahl von 222.500. Interessant zu hinterfragen, wie dieser Sollwert zustande kommt. Was die UPD-Geschichte auf alle Fälle zeigt, ist, dass es um die Patientenorientierung in unserem Gesundheitssystem nicht weit her ist. Die UPD ist noch lange keine verlässliche Marke wie es die Verbraucherzentralen sind, an die sich Käufer wenden können, wenn sie beispielsweise einen Handyvertrag unter unlauteren Bedingungen aufgeschwatzt bekommen haben und ihn wieder loswerden möchten.

Ein weiteres Beispiel: Seit mehr als 15 Jahren sammeln die Krankenhäuser Daten, um bei einigen ausgewählten Krankheitsbildern die Behandlungsqualität eines Krankenhauses und seiner Ausstattung zu dokumentieren. Seit 2013 müssen die Krankenhäuser die Ergebnisse einmal jährlich in einem sogenannten Qualitätsbericht veröffentlichen. Nur: Diese Qualitätsberichte sind jahrelang in einer Form veröffentlicht wurden, die locker ein Medizinstudium mit ausgewiesenen Statistikkenntnissen voraussetzten, um diese Informationen zu verstehen. Weder einweisende Ärzte noch Patienten dienten die aufwändigen Druckwerke als praxisnahe Entscheidungshilfe bei der Suche nach einem geeigneten Krankenhaus.

Inzwischen ist die Aufgabe der Verständlichkeit dieser Berichte an eigens gegründetes Institut übergegangen, dessen gesetzlicher Auftrag es unter anderem ist, sich um Transparenz und Verständlichkeit der Qualitätsberichte zu kümmern, kurz IQTiG (Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen). Den entscheidenden Sprung in Richtung Laienverständlichkeit haben seitdem die in Qualitätsreports umbenannten Berichte auch noch nicht vollzogen.

Und die Website, auf der die Qualitätsdaten der Krankenhäuser verständlich aufbereitet dargestellt werden sollen, hat den Status einer Ankündigung bislang ebenfalls noch nicht verlassen.

Wir leben im Informationszeitalter, die Möglichkeiten sich zu (des-)informieren explodieren nahezu täglich und ausgerechnet das Gesundheitswesen kommt nicht hinterher breite – auch niedrigschwellige – Informationsangebote für Patienten und Versicherte anzubieten, begleitet von einem Marketing, das ernsthaft diese Angebote auch bewirbt.

An wen wenden Sie sich, wenn Sie Beratung und Informationen zu Gesundheitsthemen brauchen? Und welche Erfahrungen haben Sie mit den Angeboten gemacht? Braucht es ein professionelleres Kommunikationsmanagement rund um Patienteninformation? Ich bin gespannt auf Ihre Meinung.

Ihr,

Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt

Dr. Hans-Peter Schlaudt ist Experte für Krankenhäuser im Strukturwandel. Der Arzt und Manager gründete 1998 zusammen mit Dorit Müller die Unternehmensberatung JOMEC GmbH Healthcare Consulting+Management. Mit der Erfahrung von mehr als 25 Jahren in der Führung und Beratung im Gesundheitswesen will er nun mit dem Blog das Thema Gesundheitsversorgung auf die Tagesordnung setzen.